2005-05-10: "Der Knoten ist geplatzt - Raikkonen zurueck im WM Rennen""

Lange, unter Umstaenden sogar zu lange, hat es gedauert, bis McLaren und Kimi Raikkonen endlich zeigen konnten, was mit dem 2005er McLaren Paket moeglich ist. Sieht man einmal von Australien ab, wo Renault tatsaechlich das Mass der Dinge war, war McLaren in jedem Rennen vom reinen Rennspeed her in der Lage, ein Rennen zu gewinnen. Doch technische Defekte und die notorische Qualifyingschwaeche in den ersten 3 GP liessen Fernando Alonso zum Star der bisherigen Saison avancieren. Auch wenn de la Rosa sowie Alex Wurz einen soliden Job als Ersatzmann gemacht haben, war der Ausfall von Montoya nicht foerderlich. Und auch in Barcelona schlug wieder der Defektteufel zu. Der unnoetige 3. Boxenstopp nahm dem Kolumbianer die Chance, neben seinem Landsmann auf dem Podest zu stehen.
Fernando Alonso, der seinerseits in allen 5 GP das bestmoegliche Resultat herausgeholt hat, mal in bequemen Start-Ziel-Siegen, mal mit dem Messer zwischen den Zaehnen einen alternden x-fach Weltmeister auf Wunderreifen niederhaltend, ist nun in der WM 27 Punkte vor Raikkonen. Wenn McLaren in diesem Kampf noch mitmischen will, tun sie es nicht, gibt es einen langweiligen Alleingang, muss an der Zuverlaessigkeit gearbeitet werden. Alonsos Konstanz laesst keine weiteren Ausfaelle zu. Eher muss man sich darauf konzentrieren, beide Autos vor dem umjubelten Renault-Youngster zu platzieren und dabei zusaetzlich auf rote, weisse oder rotweisse Schuetzenhilfe hoffen. In die 24 Sekunden, die Raikkonen zwischen sich und Alonso legte, passt gut noch ein Juan Montoya vor einem Ralf oder Michael Schumacher oder Jenson Button.
Zudem muss Montoya in den naechsten 3 Rennen 2 Podestplaetze bringen, wenn er selbst noch Weltmeister werden will. Wie Michael Schumacher hat er zwar erst 10 Punkte auf dem Konto, doch faehrt er das derzeit beste Auto im Feld, weshalb er die Idee wohl noch nicht voellig abschreiben muss.

Eine Titelverteidigung von Michael Schumacher ist hingegen unwahrscheinlich. Zu gewaltig sind die Drei Probleme von Ferrari:
Michael Schumacher, Bridgestone, Rory Byrne. Diese 3 Schlagworte galten lange Zeit als Erfolgsgaranten fuer die Scuderia Ferrari. Doch die Zeit steht nicht still und was frueher mal gut war ist heute das Problem des italienischen Rennstalls.
Schumacher hat in der zweiten Saisonhaelfte 2004 Schwaechen gezeigt, die nach purer Lustlosigkeit aussahen. Auch in 2005 verhinderten unnoetige Fehler wie der Heidfeld Abschuss in Australien und der Ausritt im Qualifying von San Marino moegliche gute Platzierungen. Und auch der Startplatz in Australien haette besser sein koennen, wenn Schumacher in den freien Trainings wie Barrichello oder Alonso vorn dabei gewesen waere und so in der gleichen Startgruppe ins erste Qualifying gegangen waere, wie sein am Ende zweitplatzierter Teamkollege und der letztlich Dritte Alonso.
Das eigentliche Problem ist aber die totale Konzentration auf Michael Schumacher. Anstatt sich Barrichellos Leistung aus Australien anzusehen und den totalen Fehlgriff von Bridgestone als solchen zu akzeptieren, bringt man voellig verfrueht den F2005 nach Bahrain, um mit grossen technischen Problemen einen 9. Platz fuer Barrichello und einen technisch bedingten Ausfall bei Schumacher zu ergattern.
Und in Imola gingen trotz eines Testmarathons, in dem Ferrari sich an keine der Selbstbeschraenkungen zur Kostenreduzierung mehr haelt, die Probleme am Auto von Barrichello weiter, waehrend Schumacher keine Probleme hat, durch einen Fehler aber auch die Chancen des zweiten Ferrari zu Nichte macht. Mit einem aehnlich gut vorbereiteten Wagen wie Schumacher haette Barrichello womoeglich ebenfalls aufs Podest fahren koennen. Stattdessen scheidet er aus und in Spanien muss sein Motor gewechselt werden, wodurch er im dort nicht zur Topgruppe gehoerenden Ferrari keine Chance auf Punkte mehr hatte.
Und noch ein Wort zu Imola: Wenn Ferrari sagt, dass man mit dem Ergebnis zufrieden sei, kann ich nur lachen. Wenn man ein Auto hat, das im Qualifying fuer die erste oder zweite Reihe gut ist und im Rennen selbst dem Renault 2 Sekunden pro Runde abnimmt, ist alles andere als ein Doppelsieg eine Niederlage. Ein Ausfall und die Tatsache, dass Schumacher trotz dieser Ueberlegenheit 2 weitere Punkte auf Alonso verloren hat, ist damit eine doppelte Niederlage, deren zweiter Teil auf das Konto Michael Schumachers geht.
Dem Ausritt im zweiten Qualifying folgte im Rennen zunaechst wenig. Michael demonstrierte einmal mehr, dass er nicht in der Lage ist, selbst wenn sein Ferrari 3,5 Sekunden schneller ist als ein vor ihm fahrender Sauber oder Williams, einen Kontrahenten auf der Strecke zu ueberholen. Wie das geht, zeigte ihm Montoya dann in der Anfagsphase des Spanien GP. Dass er das mit einem nur 2 Sekunden schnelleren Wagen dann gegen Alonso nicht schafft, war abzusehen. Zumindest hatte er sich im Griff und steckte noch zurueck, als er in der letzten Runde kurz ueberlegte, den Rossi zu spielen und mit einem Ueberholvorgang in der letzten Kurve den Sieg an sich zu reissen. Wer sich an knappe WM Entscheidungen mit Michael Schumacher zurueckerinnert, wird wissen, dass soetwas immer im Kiesbett endet.
Bridgestone ist ein nechstes Problem. Viel wurden die Japaner kritisiert, doch erwartet tatsaechlich irgend jemand, dass man mit Ferrari allein so gute Entwicklungsarbeit leisten kann, wie McLaren, Williams, Renault, Toyota und BAR zusammen es fuer Michelin tun? Als einziges Topteam mit einem anderen Reifen zu fahren kann langfristig nicht erfolgreich sein. Erst recht nicht dann, wenn man von einer Saison auf die naechste ein neues Reifenreglement bekommt, das eine voellig neue Aufgabe an die Ingenieure stellt. Keine Reifenwechsel mehr im Rennen bedeutet nicht, dass man mit der Reifenentwicklung von vorn beginnen muss. Aber die Unterschiede sind so gewaltig, dass man die Testarbeit auf verschiedene Schultern verteilen muss. Einem Gluecksgriff in Imola folgte der doppelte Reifenschaden in Spanien, als die Pneus gerade begonnen hatten, etwas konkurrenzfaehigere Rundenzeiten zuzulassen.
Und dann war da noch Rory Byrne. Der Brite der bereits bei Benetton einer der wichtigsten Erfolgsgaranten fuer ein konkurrenzfahiges Auto war, folgte zusammen mit Ross Brawn nach 2 schwachen Ferrari Jahren Michael Schumacher nach Italien und konnte dort immer wieder ueberredet werden, doch noch eine Saison dranzuhaengen.
2004 war jedoch endlich Schluss. Der F2004, der zu Saisonbeginn 2004 die Gegner gedemuetigt hat, war sozusagen sein Abschiedsgeschenk, war es doch das letzte Auto, an dem er noch federfuehrend beteiligt war. Schon das, was waehrend der Saison 2004 passierte, haette Ferrari warnen muessen. Sowohl McLaren als auch Williams waren in der Lage, den Rueckstand aufzuholen und konnten Ende 2004 aus eigener Kraft um Siege mitfahren. Man haette vermuten koennen, dass Ferrari sich ganz intensiv auf 2005 vorbereitet, da beide WM Titel 2004 ja bereits zur Saisonmitte praktisch unter Dach und Fach waren.
Doch dem scheint nicht so zu sein. Nicht nur, dass der F2005 zu spaet fertig wurde, auch ist es der erste Ferrari seit vielen Jahren, der nicht den Massstab im Feld setzt. Und dass nach dem Testmarathon vor dem GP von San Marino Ferrari nicht zur Spitze aufgeschlossen hat, was man sehr gut in Barcelona hat sehen koennen, wo Michael Schumacher eine Art Abo auf den Sieg hatte, ist ein weiteres Indiz fuer den fehlenden klugen Ingenieur im Hintergrund. Zwar war man in San Marino viel schneller als jedes andere Auto im Feld, doch das war Bridgestone, nicht Ferrari. Ein den Michelins hoch ueberlegener Reifen liess den Inder Kartekiyan im Jordan eine schnellere schnellste Rennrunde drehen, als Ralf Schumacher im Toyota oder Marc Webber im Williams. Wenn das geht, ist es auch keine Kunst in einem Ferrari 2 Sekunden schneller zu sein, als ein Renault oder untergewichtiger BAR.

In allen 3 Bereichen muss Ferrari handeln. Anstatt mit Schumacher ueber eine vorzeitige Vertragsverlaengerung zu diskutieren, sollte man jetzt schon lernen, was man anders machen muss, um fuer die Zeit nach Michael Schumacher gewappnet zu sein. Testfahrer bei Ferrari sollte zumindest ein junges Talent sein, wie man es bereits mit Felipe Massa versucht hat. Und man muss sich darauf einstellen, dass man in einigen Bereichen einfach die Arbeit umstellen muss, wenn man ein Team mit 2 gleichwertigen Fahrern an den Start bringen muss. Natuerlich ist der Name Ferrari an sich interessant um einen Toppiloten zu verpflichten. Ob man mit der derzeitigen Performance einen Alonso oder Raikkonen fuer einen Wechsel zu den Roten begeistern kann, ist aber fraglich.
Auf dem Reifensektor gibt es nur 2 Moeglichkeiten. Entweder tut Bridgestone Alles moegliche, um andere Teams unter Vertrag zu nehmen, oder Ferrari hat keine andere Wahl mehr, als zu Michelin zu wechseln, was einem Ausstieg Bridgestones gleichkaeme. Da es ein japanisches Unternehmen ist, muesste man moeglichst schnell zu einer Entscheidung kommen um Bridgestone die Moeglichkeit zu geben, " nach vielen erfolgreichen Jahren freiwillig aus Kostengruenden auszusteigen". Das wuerde auch der immer wieder aufflammenden Diskussion um Einheitsreifen zuvorkommen. Zumindest so lange, bis sich ein Goodyear oder Dunlop entscheidet, seine Werbestrategie auf die Formel 1 auszuweiten.
Rory Byrne ist weg. Daran kann man nichts aendern. Ferrari hat jedoch viele kluge Koepfe, die in der Lage sind, ein siegfaehiges Auto zu bauen. Doch auch auf diesem Sektor muss man ggf. Kompetenzen umverteilen oder Strukturen aendern, um das Beste aus dem vorhandenen Potenzial herauszuholen.
2005 ist noch nicht vorbei und es ist gut moeglich, dass Ferrari noch das eine oder andere Glanzlicht setzen wird. Sollte man aber in den naechsten 2 Rennen nicht aus eigener Kraft gewinnen koennen, ist das Thema WM erledigt und man kann 2005 als Uebergangsjahr gestalten, um ab dem ersten GP 2006 wieder ganz vorne dabei zu sein. Denn gegen Alonso und McLaren scheint Ferrari derzeit chancenlos zu sein.

Toyota ist ein spezieller Fall. Sieht man sich den momentanen WM Stand an, scheint Trulli ein Kandidat zu sein. Doch traue ich es Toyota einfach nicht zu, ueber 19 Rennen mit McLaren oder Renault mitzuhalten. Alle guten Ergebnisse sind erfreulich fuer Toyota und dafuer muss man Jarno Trulli ein grosses Kompliment machen. Wie Alonso hat auch der Italiener in keinem GP einen moeglichen Punkt liegen gelassen und in jedem Qualifying eine perfekte Runde in den Asphalt gebrannt. Ralf Schumacher hat inzwischen zu ihm aufgeschlossen und es wird bis zum Saisonende von Rennen zu Rennen fantastische teaminterne Kaempfe geben, auf die man sich schon jetzt freuen kann. Aber um die WM werden die beiden wohl nicht fahren. Die 50 Sekunden, die dem Duo in Barcelona auf Raikkonen fehlten, sind eher richtungsweisend als die wiederum feinen 11 Punkte.

BAR hat sich durch die Unregelmaessigkeiten selbst um die Chance gebracht, im Kampf um die WM dabei zu sein. Als trotz der extremen Kampflinie Alonsos gegen Michael Schumacher Jenson Button nicht in der Lage war, zu dem kaempfenden Duo aufzuschliessen, habe ich mich etwas gewundert. Trotz aller Beteuerungen gehe ich daher davon aus, dass BAR tatsaechlich untergewichtig unterwegs gewesen ist. Zu gross war auch der Unterschied zwischen BAR in Imola und BAR in den ersten 3 Rennen. Das neue Aerodynamikpaket mag das Auto schneller gemacht haben, aber nicht so viel. Die Strafe ist angemessen und nach Monaco wird man dann sehen, wo das Team tatsaechlich steht. Vermutlich wird das dort sein, wo Williams sich derzeit befindet.

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