2005-04-09: "Eine neue Ära hat begonnen""
Drei Rennen der Saison 2005 sind vorbei und wir haben einige Überraschungen erlebt. Ob das die plötzliche Stärke von Red Bull ist, die Dominanz des Fernando Alonso oder das spektakuläre Auftrumpfen von Toyota die nach einem peinlichen Rennen in Australien wie Phönix aus der Asche auf Rang 2 der Konstrukteurs WM vorstürmten. Auch mit nur 2 Punkten für Michael Schumacher hätten nach 3 Rennen wohl die wenigsten gerechnet. Doch wenigstens ist der amtierende Konstrukteursweltmeister besser als der amtierende Vize. BAR ist definitiv die Enttäuschung der bisherigen Saison.
Während die viel zu lange Ära Schumacher endlich zu Ende geht, scheinen wir nun auch einen Fahrer gefunden zu haben, der die nächste Ära verkörpert. Nachdem 2003 Raikkönen als potenzieller Erbe des Michael Schumacher gehandelt wurde, empfahl sich 2004 Jenson Button für diesen Titel. Die Visitenkarte, die Alonso jedoch nun abliefert, scheint zu stechen. Von allen 3 Namen werden wir im nächsten Jahrzehnt noch viel hören. Denn selbst wenn Alonso derzeit unbesiegbar wirkt, ist er, anders als Schumacher, als er 1994 das Erbe des Ayrton Senna da Silva antrat, nicht der einzige Toppilot in einem Topauto seiner Generation. Außer Mika Häkkinen gab es keinen Piloten, der Schumacher je ernsthaft in Gefahr bringen konnte.
Ich möchte versuchen, eine kurze Einschätzung aller Teams vorzunehmen, wobei das nach 3 so verschiedenen Rennen nicht leicht fällt.
Renaut ist derzeit definitiv die Spitze. 3 Poles und 3 Siege in 3 Rennen sprechen für sich. Nachdem Fisichella in Australien Glück im Qualifying hatte, rechtfertigte er seine Verpflichtung mit einem sauberen Start-Ziel-Sieg, doch nach 3 Rennen muss der Römer aufpassen, den Anschluss an Alonso nicht zu verlieren. Was der 23-jährige Spanier hingegen leistet, erinnert an Michael Schumacher, als er noch gut war. Mit welcher Souveränitaet er den auferlegten Druck in fantastische Resultate umwandelt, ist schlicht weltmeisterlich. In dieser Form wird er sehr sehr schwer zu schlagen sein. Das gilt für die WM genauso wie für jedes einzelne folgende Rennen.
Das einzige Team, das derzeit ein ähnlich schnelles Auto zur Verfügung hat, ist McLaren. Topresultate in den freien Trainings, die schnellsten Rennrunden in Malaysia und Bahrain sowie letztlich das Ergebnis von Bahrain zeigen aber nur das Potenzial des Autos auf. Den vorhandenen Speed in eine schnelle Runde zu übertragen gelingt aber einfach nicht. Zu dieser Schwäche am Auto kommen Fehler der Piloten in den Qualifikationsrunden, Pech fuer Raikkönen in Australien und Malaysia, wo er jeweils von einem Defekt aufgehalten wurde hinzu. Hinzu kommt ebenfalls eine unter diesem Reglement einfach nicht mehr passende Taktik, die jeweils darauf abzielt, den grossen Tank des McLaren möglichst auszunutzen, doch bedeutet das beispielsweise in Bahrain, dass ein Raikkönen wegen der schlechten Startposition und des schweren Autos in den ersten 11 Runden 22 Sekunden auf Alonso verlor, am Ende dann 32 Sekunden zurück war, jedoch über weite Teile des Rennens mindestens genau so schnell war wie der Renault. Wenn man sieht, wie de la Rosa an Webber vorbeifährt und ihm in den folgenden 3 Runden 10 Sekunden abnimmt, müssen sich alle Konkurrenten warm anziehen, wenn das Team es schafft, den Wagen so zu entwickeln, dass man in die ersten beiden Reihen der Startaufstellung fährt. Beim Tennisspielen vom Motorrad zu fallen, ist für die WM natürlich ebenso nicht gerade hilfreich. Der Vorteil Freitags ein drittes Auto einsetzen zu dürfen, könnte aber auf mittlere Sicht Gold wert sein.
Ferrari ist weiter stark. In Australien hat Michael Schumacher versagt, während Barrichello mit guter Teamstrategie und einer ganz starken Fahrt den zweiten Platz einfuhr und somit bewies, dass auch der F2004 konkurrenzfähig war. Doch Schumacher, der in den freien Australien Trainings lustlos mitfuhr und daher nicht zu der Zeit auf die Strecke durfte, als die letztlich auf dem Podest stehenden Alonso und Barrichello, machte einen weiteren Fehler, als er Heidfeld und sich selbst von der Strecke beförderte. Dann hat Bridgestone in Malaysia schlicht und einfach verwachst. Anstatt dies nüchtern zu analysieren und ruhig weiter zu fahren, liess sich das Team jedoch von den Medien und den selbstgesteckten hohen Erwartungen, dazu hinreissen, wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen am F2005 herumzuschrauben und das einfach nicht ausgetestete Auto mit nach Bahrain zu nehmen. Das Resultat spricht Bände: Barrichello konnte in den freien Trainings wegen Getriebeproblemen nicht fahren, dann musste sein Motor gewechselt werden und zuletzt scheint der F2005 auch noch die hinteren Bridgestone Reifen gefressen zu haben, sodass Rubens sich sogar von Massa und Coulthard überholen und von Alonso überrunden lassen musste. Michael Schumacher ist erstmals seit 2001 mit einem technischen Defekt ausgeschieden, und das wohlgemerkt in Runde 12. Dass man danach noch versuchte, der Weltöffentlichkeit und sich selbst einzureden, dass der Einsatz des F2005 richtig gewesen sein, erscheint lächerlich. Doch die Italiener waren auch die Einzigen, die nach dem Unfall von Schumacher und Heidfeld in Australien keine Schuld des Kerpeners erkennen konnten. Trotzdem ist Ferrari schnell und immer für Siege gut, wenn auch die eklatante Schwäche, allein für Bridgestone die selbe Entwicklungsarbeit zu leisten, die fuer Michelin gleich eine ganze Hand voll Topteams zusammen erledigen, sich nun zu rächen scheint, was für die WM Chancen für das springende Pferd bitter ist.
Toyota ist seltsam. In Australien konnten Trulli und Ralf Schumacher die guten Startpositionen trotz einiger Ausfälle in nichtmal einen einzigen WM Zähler umsetzen, sodass ich das Team beinahe komplett abgeschrieben hätte. Dann stellt Trulli in Malaysia in einem regulären Qualifying den Toyota auf Rang 2, fährt diese Position nach Hause und bestätigt mit einem weiteren konzentrierten und fehlerfreien Rennen in Bahrain diese Leistung. Dazu kam auch Ralf zu guten 9 Punkten in den letzten beiden Rennen, wobei in Bahrain lediglich das verhauene erste Qualifying den Deutschen zurückwarf, der ansonsten eine ähnlich starke Leistung zeigte wie der nun in der WM zweitplatzierte Trulli. Um meine Weltanschauung nicht völlig durcheinander zu werfen, habe ich die Theorie entwickelt, dass Toyota in Australien eine 100prozentige Regenabstimmung gefahren ist, die bei nassen Verhältnissen zu einem Doppelsieg geführt hätte, so jedoch in dem Debakel endete. Denn einen solchen Rückstand kann man nicht in 2 Wochen aufholen. Erstaunlich ist es dabei keinesfalls, dass teamintern Trulli den stärkeren Auftakt abgeliefert hat. Dieser Jarno Trulli hat schon 2004 bei Renault keinem Geringeren als Fernando Alonso das Leben schwer gemacht und wurde letztendlich aus politischen Gruenden durch Fisichella erstzt. Dass Toyota mit der schnellen Verpflichtung Trullis einen so guten Fang gemacht hat, hätten aber wohl selbst die Optimisten in Köln nicht zu träumen gewagt. Trotz der bisherigen Ergebnisse muss man aber sehen, dass Toyota der Profiteur Nr. 1 von den Schwächen McLarens und Ferraris ist. Auf längere Sicht kann man die beiden Teams aber nicht in Schach halten, weshalb man jeden Erfolg gebührend feiern sollte.
Williams BMW ist besser dabei, als ich vermutet hatte. Anders als McLaren ist das Team im Rennen jedoch nicht mehr so schnell wie im Qualifying. In Bahrain kam noch hinzu, dass die Motorendrehzahl wegen der hohen thermischen Belastung drastisch beschnitten wurde. Dass die schnellsten Rennrunden sowohl Heidfelds als auch Webbers jedoch volle 2 Sekunden langsamer waren, als die der McLaren und von Alonso, zeigt ganz klar, dass Williams nicht vorne dran ist. Zudem sind, wenn auch teils unschuldig beide Piloten bereits einmal wegen eines Unfalls ausgeschieden und die Fehler, die sich beide unter dem Druck der McLaren in Bahrain geleistet haben, zeigen, dass meine Prognose, dass Williams fahrerisch nicht gut genug besetzt ist, nicht ganz falsch war. Es wäre sicher interessant zu sehen, wie sich ein Jenson Button im Williams verkaufen wuerde.
Red Bull wirkte in den ersten Rennen stark. Das war überraschend und einfach gut. Ausser Renault hat sich wohl kein Team so gut auf die neuen Regeln eingestellt, wie die Österreicher. Und das, obwohl es mit Sicherheit in der Zeit zwischen der Ford Entscheidung, Jaguar aus dem Rennsport zurückzuziehen und der Übernahme durch Red Bull eine Entwicklungszwangspause gegeben hat, weshalb die Leistung des Teams einfach nur Respekt erfordert. Je mehr sich die Topteams jedoch an die neuen Regeln gewöhnen, desto weiter wird Red Bull Racing leider zurückfallen und auch BAR wird mittelfristig wohl stärker sein. Aber die bisherigen Erfolge kann ihnen niemand mehr nehmen.
BAR Honda ist die Enttäuschung der Saison. Dem unsportlichen "Doppelausfall" in Australien folgte ein peinlicher doppelter Motorschaden in den ersten Runden des GP von Malaysia und auch in Arabien haben Button und Sato die Zielflagge nicht gesehen, wobei man dort schon einen leichten Aufwärtstrend erkennen konnte. Das Ziel, endlich den ersten GP Sieg zu holen, um die WM mitzufahren oder gar Button über 2005 hinaus zu halten, is jedoch illusorisch. WM Punkte und mit viel Glueck mal ein Podestplatz wären derzeit schon mehr, als man nach 3 Rennen erkennen konnte.
Sauber ist da, wo man hingehoert. Red Bull und Toyota sind aber so stark, dass man sich realistisch derzeit mit Rang 8 begnügen muss. 2 Punkte in 3 Rennen und diese auch eher aufgrund vieler Ausfälle ist das, worauf man sich auch in den nächsten Rennen freuen kann. Villeneuve wird seinen Stammplatz in den nächsten 7 Rennen nicht verlieren, was auch immer Red Bull anbietet und die internationale Presse daraus macht. Peter Sauber weiss genau, dass Villenauve zum einen noch mehr Zeit braucht und zum anderen in einer ähnlichen Situation steckt, wie Ralf Schumacher. Die beiden haben die wohl meistunterschätzten Teamkollegen was zu einer Erwartungshaltung fuehrt, die zu befriedigen ganz schwer ist.
Jordan ist weit zurück, was zumindest in Malaysia auch an den Bridgetone Reifen lag. Ansonsten beeindruckt der Inder Karthekiyan mich durch konstante und fehlerfreie Runden und Rennen, bei denen er den deutlich höher eingeschätzten Monteiro bislang ganz gut im Griff hat. Von diesem Team ist in dieser Saison wenig zu erwarten. Das soll sich 2006 aber ändern.
Minardi hat mit einem medienwirsamen Eiertanz in Australien auf sich aufmeksam gemacht, danach war man aber brav am Ende des Feldes zu finden. Wenn man nicht wüsste, dass Minardi immer ein gutes Sprungbrett war, Alonso, Fisichella und Webber haben dort ihre Karrieren begonnen, müssten einem die beiden Fahrer schon fast leid tun. Immerhin kann man ab Imola den neuen Minardi einsetzen, weshalb der Traum, das Jordan Team hinter sich zu lassen, und eine Saison nicht als schlechtestes Team abzuschliessen, noch längst nicht ausgeträumt ist.
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