Kolumne

2022-11-16: "Russel erlöst Mercedes – und erhöht den Druck auf Ferrari""

Im 21. Rennen der Saison 2022 hat das erfolgsverwöhnte Mercedes Team den ersten Saisonsieg errungen. Nachdem Lewis Hamilton in den letzten Rennen immer wieder seinem eigenen Anspruch gerecht werden konnte und der etwas bessere von 2 starken Mercedes war, stellte George Russel die seit Saisonbeginn zementierte Hackordnung – der Mercedes Neuling hat den 7-fachen Rekord-GP-Sieger im Griff – wieder her und siegte an einem souveränen Wochenende in einer Manier, dass nicht mal dem einfachen Fan seine Brillanz auffiel und diese stattdessen Hamilton zum Fahrer des Tages wählten.

Doch die Verneigung gilt Russel. So wie er – anders als viele direkte Kontrahenten – im freitäglichen Qualifying eine saubere Leistung abrief und Dritter wurde, dies am Samstag in einen überzeugenden Sprint-Sieg steigerte und dem Ganzen dann im Rennen die Krone aufsetzte, indem er trotz vieler Wendungen einen nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg heim fuhr, lässt viel erwarten für 2023, sollte Mercedes diese Form mit ins nächste Jahr nehmen können.


Angst genau davor sollte Ferrari haben. Obwohl man eigentlich nahezu die gesamte Saison hindurch ein siegfähiges Paket hatte, kämpfen die Roten nicht nur nicht um einen WM Titel, sogar Rang 2 in Fahrer- und Konstrukteurs-WM sind in Gefahr. Folgerichtig muss Matteo Binotto für 2023 seinen Hut nehmen und wird durch Cedric Vasseur ersetzt. Dabei war es nicht nur das Team, das Fehler gemacht hat. Auch beide Fahrer haben manch Topresultat durch individuelle Fehler verspielt, während Mercedes – in den ersten 2 Saisondritteln vornehmlich in Form von Russel – den Alonso machte: immer 1-2 Positionen weiter vorn ankommen, als das Gesamtpaket im Idealfall zu liefern im Stande sein müsste.
Auch dadurch wurde ein souveräner Max Verstappen zum ungefährdeten Weltmeister und Sergio Perez, der gemessen an seinem Teamkollegen eine eher unauffällige Saison abgeliefert hat, potenziell zum Vizeweltmeister. Red Bull scheint vor Allem im Bereich Motoren das Maß der Dinge zu sein und allein die fehlende Notwendigkeit zu stetigen Verbesserungen zwang die Jungs mit den roten Flügeln fast, sich frühzeitig auf die Vorbereitungen für die nächste Saison zu konzentrieren. Abzuwarten mit welchem Erfolg! Nachdem mit dem Tod von Dietrich Mateschitz eine Ära des Sport-Sponsoring zu Ende geht, scheint sich erstmal nicht viel zu ändern, aber sicher ist nix.

Man könnte nun an dieser Stelle eine ausführliche Diskussion darüber beginnen, ob nicht 50 km Wasa Lauf eine wichtigere Sportveranstaltung ist, als das Red Bull Air Race 2022. Trotz spielerischer Klasse fraglich, ob nicht viele lieber den 1. FC Kaiserslautern in der ersten Fußball Bundesliga sähen, als RB Leipzig. Aber soviel ist sicher, dem ehemaligen Stewart GP, dann Ford und dann Jaguar F1 Team verliehen die Österreicher definitiv Flügel.


Probleme ganz anderer Art hingegen hat Alpine. Zwar haben die Franzosen durch harte Arbeit und den Alonso-Faktor trotz viel Pech inzwischen den lange umkämpften Platz 4 in der Konstrukteurs-WM nahezu sicher. Aber für 2023 stehen die Vorzeichen nicht sonderlich gut. Schuld daran ist das Team aber selbst. Festhaltend am noch jungen aber nur etwas überdurchschnittlich talentierten Esteban Ocon hat das Team es verpasst, den alternden aber noch immer großartigen Fernando Alonso längerfristig zu binden, woraufhin er sich entschied, dem Ruf Aston Martins zu folgen und dort Nachfolger eines erst seit seiner Rücktrittserklärung befreit fahrenden Sebastian Vettel zu werden.

Flugs setzte man also bei Alpine eine Pressekonferenz an, um den unter einem Berg von Vorschusslorbeeren kaum noch erkennbaren Oscar Piastri als Nachfolger zu präsentieren, der nicht Besseres zu tun hatte, als ebendies zu dementieren und seine Vertragsunterzeichnung bei McLaren bekannt zu geben, wo ein viel zu selten auf seinem eigentlichen Niveau agierender Daniel Ricciardo ersetzt werden musste.

Nun ist die Paarung Gasly/ Ocon sicher keine schlechte Fahrerpaarung, aber mein Voting für die Fahrerpaarung des Jahres – die 2021 an Ferrari mit Leclerq/ Sainz und 2022 an Mercedes mit Hamilton/ Russel ging, lautet für 2023 ganz klar: McLaren mit Norris/ Piastri. Ich würde sogar so weit gehen, dass dies den Ausschlag geben wird, warum McLaren nächstes Jahr den vierten Platz in der Konstrukteurs-WM erringen wird. Mindestens.


Bei Mick Schumacher geht es wiederum um noch weniger und doch viel mehr. Hier und da ein WM Punkt, den Teamkollegen im entscheidenden Moment schlagen und in der letzten Sekunde den letzten noch zu vergebenen Formel 1 Startplatz für die Saison 2023 sichern. Kurz: es geht um nicht mehr und nicht weniger als seine Karriere.

Allen Fans wünsche ich ein tolles Saisonfinale und eine geruhsame Winterpause!