2020-08-16: "Zweiklassengesellschaft""
Das letzte Alex´ Corner ist schon eine Weile her und dabei hatte Sebastian Vettel mir doch schon 2019, noch mehr aber in dieser noch immer recht jungen Saison, so viel Grund gegeben, meine Tradition fortzusetzen, seine Unzulänglichkeiten zu kritisieren.
Ich tue das nicht gern, bitte nicht missverstehen, aber ein 4-maliger Weltmeister muss als erstes seinen Teamkollegen schlagen. Und das hat er in der Hälfe aller Rennen 2019 – dem ersten Jahr von LeClerc bei Ferrari – eben nicht getan. 2020 sieht die Bilanz noch schlimmer aus. Zumindest gefühlt. Tatsache aber ist, dass Vettel in 3 Rennen, in denen er selbst eine schwache Leistung zeigte und zudem noch Fehler machte, wie den Dreher in der Anfangsphase des zweiten England Rennens, seinem Teamkollegen unterlegen war. In den anderen 3 Rennen sah dies aber anders aus. Im zweiten Österreich GP („GP der Steiermark“), war es Leclerc, der die beiden relativ gut positionierten Ferrari mit einer übereifrigen Aktion ins Aus befördert hat. In Ungarn hat Vettel seiner Boxencrew widersprochen und eine andere Reifenwahl getroffen, als vorgesehen war, woraufhin Vettel sauberer Sechter wurde und Leclerc ohne Punkte blieb. Und zuletzt in Barcelona war es wieder eine ungewöhnliche Strategie, die Vettel zu Rang 7 verhalf, während Leclerc sich nach einem Fahrfehler in die Box rettete und aufgeben musste.
Allerdings muss man Leclerc zu Gute halten, dass er in den 3 anderen Rennen, nicht ohne Glück und dennoch nicht unverdient, 3 mal fette Punkte gemacht hat. Auch wenn es 3 Rennen waren, in denen Safetycarphasen immer mal wieder „alles auf Null“ gesetzt haben, was Rückstände angeht.
Das eigentlich Tragische ist jedoch, dass Ferrari ohne diese äußeren Einflüsse eben nicht mehr zur ersten Garde zählt. Während noch 2019 5 Fahrer (2 Mercedes, Max Verstappen und 2 Ferrari) mehr als 200 WM Punkte holten und sich damit meilenweit vom Rest des Feldes absetzten, ist dies 2020 auf nur 3 Fahrer zusammengeschmolzen, die – und das kann man schon jetzt nach 3 Rennen sagen – überhaupt eine theoretische Chance auf den WM Titel haben.
Der Ferrari Motor, der noch bis Ende letzter Saison das Maß der Dinge war, ist nur noch ein Schatten seiner selbst und mit dem Minus an Leistung nun ein schnelles Auto zu entwickeln, ist Ferrari nicht gelungen. Wer sich im Fahrerlager umhört, wird wenig verstehen, denn Englisch durch eine Maske mit Motorgeräuschen im Hintergrund ist ähnlich fies, wie einen Deutsch-Fremdsprachen-Studenten nach Österreich zu schicken, um Praxiserfahrung zu sammeln.
Aber dem Vernehmen nach soll eine Regelungslücke, die Ferrari im Motorenbereich 2019 genutzt hatte, durch eine kleine Umformulierung geschlossen worden sein, woraufhin man einen großen Schritt zurück machte. Kaum verwunderlich, dass beim Auftakt-GP in Österreich (nicht Steiermark) genau 3 Teams langsamer waren als 2019: Ferrari, Haas-Ferrari und Alfa Romeo-Ferrari.
Solch kleine Grauzonen-Spielchen passieren natürlich immer wieder und immer wieder fragt man sich, wie man darauf reagieren muss. Ein Jurist würde sicher den Tipp geben: Ein Blick ins Gesetz soll Antworten liefern. Aber das ist etwas anderes, wenn es um Geld, Macht, Prestige und Quoten geht. Während der Jurist im Reglement nachschauen würde, ob es verboten ist, ein anderes erfolgreiches Auto einfach zu kopieren und was die Folge sein müsste, geht man in der Formel 1 etwas andere Wege. Die Situation ist dabei eigentlich glasklar: Racing Point hat große Teile des 2019-er Mercedes dreist kopiert und dadurch offensichtlich einen weiteren Schritt nach vorn gemacht. Und dies ist entweder ein Verstoß gegen das Reglement, was auf eine Disqualifikation oder die Pflicht Abhilfe zu schaffen (indem man das 2019-er Auto schnellstmöglich an die Regularien 2020 anpasst und dann damit startet) oder aber es ist „nur“ ein Brechen ungeschriebener Regeln, eine Unsportlichkeit, die Fanproteste, Rücktritte Druck auf Sponsoren ausübt, aber keine legalen Konsequenzen hat.
Nun hat man sich aber auf den windelweichen Kompromiss eingelassen, dass das Team 15 Punkte Abzug und eine Geldstrafe bekommt, während die Fahrer mit einem offensichtlich (denn sonst hätte man ja keine Strafe aussprechen können) nicht regelkonformen Auto weiterfahren darf.
Und dennoch sind auch diese Racing Points – aktuell die klare Nummer 3 im Feld hinter Mercedes und Max Verstappen aber vor McLaren und Ferrari. Und wie weit die 1 ½ Teams vor dem Rest der Welt liegen, hat uns der Rennsonntag in Barcelona offenbart:
Außer einem mal wieder fehlerfreien Lewis Hamilton, einem mal wieder einen Platz besser als maximal möglich fahrenden Max Verstappen und einem hier recht blassen Valtteri Bottas sind alle anderen 16 Fahrer überrundet worden.
Dies gilt auch für den zweiten Red Bull von Alex Albon. Der junge Thailänder holt zwar immer wieder schöne Punkte für Red Bull, aber wenn man wie hier in Spanien nun die Möglichkeit hat ohne Safetycar mal echte Performance zu messen, muss man konstatieren, dass er etwas mehr als eine Sekunde pro Runde auf seinen Teamkollegen verliert. Das sind Welten und das ist in einer Situation, in der Pierre Gasly sich nicht nur schnell, sondern auch deutlich gereift zeigt, bedrohlich!
Spätestens für 2021 könnte das ein Cockpit in einem der nur noch 2 Top-Teams der Formel 1 kosten. Hier hat Sebastian Vettel einmal Glück im Unglück. Der Verlust seines Platzes bei Ferrari an Carlos Sainz Jr. Ist nicht mehr in diese Kategorie einzuordnen. Und wenn es so kommen sollte, wie derzeit zu befürchten steht, dann könnte Vettels Not zum Glücksfall werden, denn aktuelle sieht es aus, als könnte er bei Racing Point unterkommen, die zumindest aktuell schneller sind als Ferrari!
Schade nur, dass dies bedeuten würde, dass das Team mit den rosa Autos aus den 4 Fahrern, auf die man aktuell offensichtlich Zugriff hat, die zwei derzeit schwächeren als Stammpiloten einsetzt: Statt Geld zu sparen und mit Perez/ Hülkenberg ein top motiviertes Team aufzustellen, sieht es derzeit eher nach Stroll/ Vettel aus. Ohne jede Frage sind alle 4 dieser Kandidaten fahrerisch auf einem ähnlichen Niveau, aber ich halte Perez im direkten Vergleich für den entscheidenden Tick besser und gegenüber dem Vettel, den wir in den letzten 2-3 Jahren sehen durften, steht Hülki nicht zurück.
Aber bevor die Saison 2021 unter hoffentlich wieder „normalen“ Vorzeichen startet, stehen noch eine Reihe weiterer Rennen in 2020 an. Sicher ist es keine große Leistung vorherzusagen, dass jedes dieser Rennen von Hamilton, Verstappen oder Bottas gewonnen werden wird. Aber was dahinter passiert ist spannender als je zuvor und besonders für uns Tipper hoch interessant!
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